Die Baustellen laufen in Ostfriesland weitgehend im Normalbetrieb. Im
Vergleich zur Baubranche hatten andere Gewerke mit größeren
Einschränkungen in der Pandemie zu kämpfen. - Gewerke spüren die
Auswirkungen der Corona-Krise unterschiedlich. Einige Obermeister
berichten zur Lage aus den Betrieben im Kammergebiet. - Seit dem
Ausbruch der Pandemie stehen die einzelnen Berufsgruppen in Ostfriesland
vor verschiedenen Herausforderungen. Konnten die sogenannten
systemrelevanten Dienstleister ihren Tätigkeiten weiterhin nachgehen,
müssen sich die Betriebe mit Ladengeschäften und im Bereich der
Körperpflege wieder im Geschäftsalltag zurechtfinden. Wir haben bei
einigen Innungen in Ostfriesland nachgefragt, welche Auswirkung die
Corona-Krise auf ihr Gewerk hat. - Unsichere Zeiten für Luxusprodukte
vom Tischler ( Joachim Skusa - Obermeister der Tischlernord-Innung
Aurich – Norden - Tischlereibetrieb Joachim Skusa in Aurich ) „Die Krise
trifft uns glücklicherweise nicht so hart. Wir haben immer noch gut zu
tun. Wir arbeiten vermehrt in der Werkstatt. Es wird vieles per Telefon
abgewickelt. Die Kundenbesuche haben wir auf das Nötigste reduziert“,
berichtet Joachim Skusa, der in Aurich eine gleichnamige Tischlerei
betreibt. Er beobachtet eine Auftragszunahme: „Die Leute lassen jetzt
Dinge reparieren, die sie jahrelang vor sich hergeschoben haben.“ -
Einziger Wermutstropfen seien die längeren Wartezeiten der Zulieferer.
„Ein Plattenlieferant zum Beispiel liefert nur noch alle zwei Tage statt
täglich“, erzählt Skusa, der der Tischlernord-Innung Aurich – Norden
als Obermeister vorsteht. Zudem kämen viele Beschläge aus China und
Möbelbauteile aus Italien. Noch habe er von keinen Engpässen in
Warenlagern gehört. Ob das auch so bleiben werde, sei ungewiss.
Vor diesem Hintergrund sei sein Unternehmen nicht so stark von den
Einschränkungen betroffen, andere Innungskollegen hätten es da schwerer.
Sie vermeldeten Auftragseinbrüche beispielsweise durch die
Restriktionen im Hotel- und Gaststättengewerbe. „Viele Ladenbauarbeiten
und Reparaturen sind weggefallen“, erklärt der Meister. So bereitet ihm
die Zukunft doch Sorgen. „Wir produzieren Luxusartikel. In unsicheren
Zeiten halten die Menschen ihr Geld beieinander und überlegen sich, ob
es sich lohnt, einen teuren Schrank vom Tischler fertigen zu lassen.“
Torten- und Teilcheneinbruch im BäckerhandwerkStefan Meyer - Obermeister der Bäckerinnung Ostfriesland - Der Horster Bäcker Meyer in Friedeburg
Nach
Einschätzungen von Stefan Meyer (Horsten), Obermeister der Bäckerinnung
Ostfriesland, ist die Branche unterschiedlich von der Corona-Krise
betroffen. „Es kommt auf den Standort an“, sagt er. Seine Ortsbäckerei
in Horsten profitiert von einem hohen Stammkunden-Anteil und einem über
die Jahre erarbeiteten Polster. Bäckereien, die in Küstennähe stark vom
Tourismus abhängig sind, treffe es deutlich stärker, als diejenigen
weiter im Binnenland. Wer zudem noch ein angeschlossenes Café betreibt,
habe enorme Umsatzeinbrüche.
„Der Niedersächsische
Landesverband spricht von 30 bis 70 Prozent Einbußen.“ Das trifft die
Branche hart. „Wer bis jetzt am Limit gearbeitet hat, wird es schwer
haben“, resümiert der Obermeister. Aber auch Meyers Betrieb mit neun
Mitarbeitern verbuche Verluste. Viele Feste mussten abgesagt werden:
„Wir haben einen Torten- und Sahneteilchen-Einbruch von 90 Prozent.“ Das
Brötchengeschäft ist bei ihm konstant geblieben. Wohingegen die
Nachfrage nach Kuchen und Brot gestiegen ist. Der Bäckermeister
begründet dies mit dem Zulauf von Kunden, die sonst in Supermärkten
einkaufen, jetzt aber die großen Geschäfte meiden. Dennoch: Dies könne
bei Weitem die Verluste nicht ausgleichen.
„Die Angst ist bei
vielen groß“, stellt Meyer fest. Er fährt Brottouren in Ostfriesland und
Friesland. „Viele mit Vorerkrankungen meiden den Kontakt“, erzählt er.
Bis vor die Tür wird geliefert und bereitgelegtes Geld im Umschlag
entgegengenommen. Die Hygiene in der Produktion musste er nicht
anpassen. Die Standards seien im Vorhinein enorm hoch gewesen. Anders
verhält es sich im Ladengeschäft. Strikte Abstandsregeln, Mundschutz und
Handschuhe gehören nun zum Verkaufsalltag. Pro Verkäuferin (max. zwei)
wird nur ein Kunde im Geschäft bedient. „Bis jetzt zeigen alle großes
Verständnis“, so Meyer, der hofft, dass das auch in Zukunft so bleiben
wird.
Baubranche steht vergleichsweise gut daFolkert Busker - Obermeister der Bauhandwerker-Innung Aurich-Emden-Norden - Baugeschäft Folkert Busker in Aurich
„Momentan
ist genug Arbeit da. Aber auch wir verlieren die eine oder andere
Baustelle“, erklärt Folkert Busker, der ein Bauunternehmen in Aurich mit
zwölf Mitarbeitern führt. Aus Angst vor Ansteckung ließen viele die
Handwerker für Renovierungs- und Sanierungsarbeiten nicht ins Haus. Auch
bereits genehmigte Bauprojekte im Eigenheimbereich seien kurzfristig
auf Eis gelegt worden. Die Finanzlage habe sich bei den Bauherren durch
Kurzarbeit oder Kündigungen verändert. „Die Verunsicherung ist groß“,
erzählt Busker, der als Obermeister der Bauhandwerker-Innung
Aurich-Emden-Norden vorsteht.
Dabei seien die Auswirkungen der
Krise auf die Baubranche noch vergleichsweise gering. Bei vielen Firmen
liefen die Baustellen weitgehend im Normalbetrieb. Alles unter
Einhaltung der Hygienemaßnahmen. „Die Kolonnen haben wir deutlich
reduziert. Jetzt arbeiten nur zwei bis drei Handwerker zusammen“, nennt
der Obermeister ein Beispiel. Viele Wartezeiten verzögerten derzeit die
Arbeiten und schlagen aufs Gemüt. Warten im Baumarkt oder beim
Baustoffhändler. Warten auf Lieferungen, weil die Produzenten aufgrund
von behördlichen Regelungen oder kranken Mitarbeitern ausgebremst sind.
Warten auf die Genehmigung der Bauämter, weil auch diese nicht im
Regelbetrieb arbeiten. Und am Ende das Vertrösten der Kunden, weil sie
warten müssen. „Was früher einfach war, ist sehr kompliziert geworden“,
resümiert der Bauunternehmer.
Automobile Schlüsselindustrie muss gefördert werdenLothar Freese - Obermeister der Innung des Kfz-Handwerks für Ostfriesland - Bosch Car Service Lothar Freese e.K. in Aurich
Die
Kfz-Branche hat einen deutlichen Dämpfer eingesteckt. „In den
Werkstätten liefen die Reparatur- und Servicearbeiten weiter. Aber der
Autohandel wurde komplett auf null runtergefahren“, erzählt Lothar
Freese, Obermeister der Innung des Kfz-Handwerks für Ostfriesland. Für
die kleineren Kfz-Betriebe, die sich auf das Werkstattgeschäft
konzentrieren, seien die Auswirkungen nicht ganz so dramatisch. Die
größeren Autohäuser, die ihre Umsätze vorwiegend aus dem Verkauf von
Neu- und Gebrauchtwagen erzielen, treffe es sehr hart, erklärt Freese.
Viele Innungsmitglieder hätten Hilfsmaßnahmen von Land und Bund in
Anspruch genommen. Ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt.
„Auch
bei uns herrschte zwei Wochen lang Stillstand“, berichtet der
Kfz-Meister, der in Aurich eine Bosch Car Service Werkstatt für Pkw und
Nutzfahrzeuge mit 46 Mitarbeitern führt. Es wurde nur das Nötigste
repariert. Mittlerweile habe sich der Zulauf wieder normalisiert. Freese
ist für die Kundentreue dankbar. Aber er weiß auch, dass es bei vielen
Meisterbetrieben noch verhältnismäßig ruhig ist: „Die Kunden sind immer
noch zurückhaltend.“
Seit Mitte April dürfen Fahrzeuge wieder
unter Hygieneauflagen präsentiert und verkauft werden. „Ob es mal so
wird wie vorher, bleibt abzuwarten“, verweist der Obermeister auf die
automobile Schlüsselindustrie. „Knickt diese Branche ein, hat
Deutschland und damit auch Ostfriesland ein erhebliches Problem.“ Aus
diesem Grund gebe es derzeit Überlegungen auf Landes- und Bundesebene,
den Neufahrzeugkauf mit Prämien anzukurbeln. „Nur wenige Firmen können
den längeren Stillstand und die zukünftig prognostizierten Flauten
verkraften“, befürwortet er das Vorhaben.
Der Obermeister ist
überzeugt, dass eine Förderung insbesondere im Verkauf von
Verbrennungsmotoren von Nöten ist. „Was nützt es, wenn eine neue
Kaufprämie für E-Fahrzeuge eingeführt wird, obwohl die nötige
Infrastruktur nicht vorhanden ist und die Automobilhersteller hingegen
auf ihren bereits gefertigten Fahrzeugen sitzen bleiben“, mahnt er. In
der Klimadebatte sollte nicht vergessen werden, dass die heutigen
Technologien der Diesel und Benziner sämtlichen Umweltnormen entsprechen
und „noch lange Zeit ihre Berechtigung haben“.
Raumausstatter halten lokale Lieferketten aufrechtFrauke
Seitz-Klüß - Stellv. Obermeisterin der Raumausstatter- und
Sattler-Innung für Ostfriesland - Raummanufaktur Seitz in Leer
Das
Raumausstatterhandwerk hat sich auf die Corona-Situation eingestellt.
Fleißig werden Behelfs-Mund-Nase-Masken genäht. „Wir liefern einen
wichtigen Beitrag, lokale Nachfragen zu bedienen, wenn globale
Lieferketten versagen“, betont Frauke Seitz-Klüß, stellv. Obermeisterin
der Raumausstatter- und Sattler-Innung für Ostfriesland. Ein Altenheim
habe den ersten Großauftrag bei ihr geordert, erzählt die
Geschäftsführerin der Raummanufaktur Seitz in Leer. Mittlerweile haben
die fünf Mitarbeiter eine ganze Kollektion produziert, die im
Ausstellungsraum angeboten wird.
„Nach dem ersten Corona-Schock
haben wir schnell unsere Lücken gefunden und kommen gut durch die
Krise“, sagt sie. Aufträge kämen genügend rein, nur das Geschäftsfeld
Fensterdekorationen habe gelitten. Über die Lockerungen und
Ladenöffnungen ist Frauke Seitz-Klüß froh, obwohl der Kundenkontakt sich
drastisch verändert hat: Viele Beratungen laufen per Telefon ab. Per
Klingel werden die Kunden eingelassen und mit Mund-Schutz beraten.
Erlaubt ist eine Person pro zehn Quadratmeter. „Wir blättern oft mit den
Besuchern durch Stoffkollektionen. Das ist jetzt schwieriger geworden,
wenn man Abstände einhalten will“, erzählt sie. Aber es gehöre zum
Unternehmertum, sich auf veränderte Marktbedingungen einzustellen. So
konzentrierte sich das fünf Mitarbeiter starke Team in den letzten
Wochen auf Polsterarbeiten. Kundenaufträge vor Ort werden nach
vorheriger Absprache und Hygieneregeln abgewickelt. So kann der
Auftraggeber die Räumlichkeiten beispielsweise verlassen, wenn die
Handwerker zum Arbeiten kommen.
Titel-Foto: HWK / GFWH GmbH
Handwerkskammer für Ostfriesland
Straße des Handwerks 2
26603 Aurich