14.04.2022
- Konjunkturumfrage zum ersten Quartal 2022 - Für die Ausbauhandwerker
liefen die Geschäfte zum Jahresbeginn rund. Rund die Hälfte der Betriebe
meldete höhere Auftragseingänge. -Trotz eines zufriedenstellenden
Jahresauftakts geht das regionale Handwerk mit gedämpften Erwartungen in
die nächsten Wochen. Nur jeder dritte Betrieb rechnet mit einer
Frühjahrsbelebung. Allen Branchen machen steigende Preise für
Materialien und Energie zu schaffen. „Die Betriebe beurteilen ihre
Geschäftslage besser als vor einem Jahr, und zwar über alle Branchen
hinweg. Vor allem die Unternehmen, die von den Corona-Einschränkungen
betroffen waren, sind zuletzt wieder besser in Tritt gekommen. Der
Ukraine-Krieg und die bereits eingetretenen Folgen bei den
Energiepreisen und den Lieferketten stellen eine Zäsur dar. Die
Hoffnungen auf eine kräftige konjunkturelle Erholung in diesem Jahr sind
praktisch überholt“, kommentiert Hauptgeschäftsführer Dr. Joachim
Eisert die Ergebnisse der jüngsten Konjunkturumfrage der Handwerkskammer
Reutlingen.
56,4 Prozent der Betriebe in den Landkreisen Freudenstadt,
Reutlingen, Sigmaringen, Tübingen und Zollernalb bewerteten ihre
wirtschaftliche Lage im ersten Quartal mit der Note „gut“
(Vorjahresquartal: 43,6 Prozent). Gleichzeitig sank der Anteil
derjenigen, die sich unzufrieden äußerten von 26,5 Prozent auf nunmehr
15,5 Prozent. Dennoch werden die Chancen, dass sich dieser Aufwärtstrend
in den nächsten Wochen fortsetzt, zurückhaltend eingeschätzt. 32,1
Prozent der Befragten rechnen mit besseren Geschäften, rund zehn
Prozentpunkte weniger als vor einem Jahr. Der Konjunkturindikator der
Handwerkskammer Reutlingen, der Lagebeurteilungen und Erwartungen
zusammenfasst, steigt auf +29,7 Punkte (1. Quartal 2021: +24,9 Punkte).
Gedämpfte Erwartungen
Trotz des allgemeinen Erholungskurses im ersten Quartal fällt die
Aufwärtsentwicklung je nach Branche unterschiedlich aus. Während die
Mehrheit der Betriebe des Ausbauhandwerks (72 Prozent) und des
Bauhauptgewerbes (68 Prozent) mit ihren Geschäften rundum zufrieden
waren, sind es im Dienstleistungsbereich, also bei den Friseuren,
Kosmetikern und Maßschneidern, gerade mal 32 Prozent. Allerdings lag
dieser Anteil vor zwölf Monaten noch bei 10 Prozent. Bessere Geschäfte
meldeten auch die Gewerblichen Zulieferer, das Kfz-Gewerbe und die
Gesundheitsbetriebe.
Die Auftragslage hat sich ebenfalls verbessert. 30,5 Prozent der
Betriebe meldeten im ersten Quartal mehr Bestellungen, Rückgänge
verzeichneten 24,3 Prozent und damit deutlich weniger als vor zwölf
Monaten (1. Quartal 2021: 36,7 Prozent). Der durchschnittliche
Auftragsbestand legte im Jahresvergleich um zweieinhalb Wochen auf
nunmehr 12,9 Wochen zu. Allerdings dürfte dieser Zuwachs nicht allein
auf eine gestiegene Nachfrage zurückzuführen sein, betont Eisert. „Die
Omikron-Welle hat auch Handwerksbetriebe nicht verschont und vor allem
in kleineren Betrieben zu Personalengpässen geführt. In der Folge
konnten Aufträge nicht wie geplant abgearbeitet werden.“ Mit
coronabedingten Lohnfortzahlungskosten in besonderer Weise belastet
seien auch Handwerksbetriebe mit mehr als 30 Beschäftigten. Sie könnten
nicht mehr am U1-Umlageverfahren zur teilweisen Erstattung dieser
Aufwendungen teilnehmen. Die Politik sei daher aufgerufen, sich über
einen „Coronaausfallzuschuss“ für kleine und mittlere Unternehmen
Gedanken zu machen, der diese Belastung wenigstens in Teilen ausgleiche.
Material zu Tagespreisen
Alle Gewerke meldeten steigende Preise für Material und Vorprodukte.
Rund 94 Prozent aller Befragten mussten zuletzt mit höheren Aufwendungen
planen. Die Situation hat sich im Vergleich zum Vorjahr nochmals
verschärft, so Eisert. Täglich meldeten sich ratsuchende Betriebe bei
der Handwerkskammer. „Lieferanten garantieren Preise nur noch für kurze
Zeiträume. Ein Metallbauer berichtete von einem Anbieter, der bestimmte
Stahlarten nur noch zu tagesaktuellen Preisen abgibt. Damit wird die
Kalkulation für ein Bauvorhaben, das erst in einigen Monaten umgesetzt
werden soll, zum Vabanquespiel. Das wirtschaftliche Risiko für die
Betriebe hat zugenommen.“
Abhilfe könnten Preisgleitklauseln bei öffentlichen Aufträgen
schaffen, wie sie bei Vergaben des Bundes mittlerweile möglich sind.
„Leider haben das Land und die Kommunen noch nicht nachgezogen, um
angesichts unvorhersehbarer Preissprünge eine fairere Verteilung der
Risiken zu gewährleisten“, kritisiert Eisert. Er wiederholte daher seine
Bitte vor allem am die kommunalen Auftraggeber, auch insoweit
Mittelstandsförderung zu praktizieren. Andernfalls drohe die
nachlassende Bereitschaft der Handwerksbetriebe, noch an öffentlichen
oder beschränkten Ausschreibungen teilzunehmen.
Verbraucher müssen sich auf höhere Preise einstellen. Jeweils 75
Prozent der Bau- und Ausbaubetriebe sowie der Zulieferer planen diesen
Schritt. Im Nahrungsmittelgewerbe, im dem die Ausgaben für Wärme und
Kühlung einen wichtigen Kostenfaktor darstellen, sind es sogar knapp 90
Prozent. Anders sieht es in der Dienstleistungsbranche aus. Zwar
verzeichnen 87 Prozent der Betriebe höhere Ausgaben, die Verkaufspreise
erhöhen wollen vorerst nur 32 Prozent.
Die 13.700 Handwerksbetriebe in den Landkreisen Freudenstadt,
Reutlingen, Sigmaringen, Tübingen und Zollernalb erwirtschaften einen
Umsatz von über 10,5 Milliarden Euro, beschäftigen rund 80.000
Mitarbeiter und bilden über 4.500 junge Menschen aus.
Den ausführlichen Konjunkturbericht 1/2022 finden Sie unter www.hwk-reutlingen.de/konjunktur
Foto: elektroniker_amh.jpg / AMH
Handwerkskammer Reutlingen
Hindenburgstr. 58
72762 Reutlingen