Ohne
Handwerk keine Energiewende: Holger Schwannecke, Generalsekretär des
Zentralverbands des Deutschen Handwerks, sprach mit Hanna Henigin für
das Magazin der Grünen über die Rolle seiner Zunft bei der
sozial-ökologischen Transformation – und wo das Handwerk noch mehr
Unterstützung von den Grünen braucht: Gesellschaft und Wirtschaft,
Tradition und Zukunft, Bewährtes und Innovatives: All das vereint das
Handwerk. Die Vielfalt der Lebensbereiche, in denen Handwerker*innen
tätig sind, ist uns im Alltag selten bewusst. Das Brötchen zum
Frühstück, die Brille und das Hörgerät, die uns das Leben erleichtern,
die Heizung und der Kühlschrank, die zuverlässig funktionieren, das neu
gebaute Haus und die sanierten Straßen – Handwerk ist all das, was unser
Leben ausmacht, was wir aber oft nicht mehr richtig wertschätzen, weil
wir es als selbstverständlich hinnehmen. Dabei denken Handwerker*innen
schon immer über das Tagwerk hinaus.
Wir geben unser Wissen und Können generationenübergreifend weiter, wir stärken und entwickeln den ländlichen Raum, wir gehen sorgsam mit Ressourcen um und besinnen uns darauf, Haushaltsgeräte, Schuhe, Fahrräder zu reparieren, zu warten und zu pflegen. All das sind Beispiele dafür, wie Handwerker*innen täglich und nachhaltig an einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft mitwirken – und zugleich das Neue auf die Straße bringen.
Akademische Brille öfter absetzen
Jeder fünfte Handwerksbetrieb ist in der Klima- und Energietechnologie tätig. Das reicht vom energieeffizienten Dach mit klimafreundlicher Photovoltaik-Anlage, über nachhaltiges Bauen mit Recycling-Baustoffen, Holz und Lehm bis hin zur E-Mobilität. Dass die Grünen die Bedeutung des Handwerks in ihrem Grundsatzprogramm verankert haben, ist für uns daher ein wichtiges Signal. Wir wünschen uns von der Partei aber auch den Mut, die akademische Brille öfter abzusetzen. Um die großen Zukunftsaufgaben zu lösen, brauchen wir Bedingungen, die ökologisch wie ökonomisch Sinn machen und die praktisch umsetzbar sind. Am Beispiel Elektroschrott wird das klar: Gebrauchte Elektrogeräte dürfen auch in Geschäften zurückgegeben werden, wo sie gar nicht gekauft wurden. In der Praxis sieht das oft so aus: Der Kunde erwirbt das Gerät bei einem der großen Onlineversandhändler, gibt es dann aber beim Elektrofachgeschäft um die Ecke zurück, der es lagern, entsorgen und das Ganze dokumentieren muss.
Gezielte Beratung durch Umweltzentren
Gleichzeitig haben wir stark Energie verbrauchende Unternehmen wie
Bäckereien, Tischlereien oder Metallbetriebe. Hier arbeiten die
Umweltzentren in den Handwerkskammern intensiv daran, die
Energieeffizienz und den Ressourcenverbrauch durch gezielte Beratung zu
verbessern. Dabei hilft auch das digitale Energiebuch, ein praktisches
Controlling-Instrument, das nächstes Jahr zudem als App erscheinen wird:
Damit können die 1.250 Betriebe, die bereits Kontakt zum Energiebuch
hatten, mit geringem Aufwand etwa Energiekosten erfassen oder ihre
CO2-Emissionen auswerten. So können sie beispielsweise sehen, ob sich
die Umrüstung auf LED-Beleuchtung wirklich gelohnt hat.
Um
unserer ökologischen Verantwortung nachzukommen, müssen die für das
Handwerk typischen, kleinen Betriebe mit ihren speziellen Strukturen und
Abläufen noch stärker in den Fokus rücken. Denn sie tragen die Lasten
aus politischen Entscheidungen, die nur industrielle Abläufe und
Massengeschäfte im Blick haben, wie etwa bei der
Lebensmittel-Kennzeichnung: Die Dokumentationspflicht für Inhaltsstoffe
ist auf industrielle Massenproduktion zugeschnitten, führt aber bei
einer Bäckerei mit sechs Beschäftigten zu unglaublichem Frust. Hier -
wie auf vielen anderen Feldern - wünschen wir uns weniger Bürokratie und
damit faire Wettbewerbsbedingungen.
Soziale Kosten gerecht verteilen
Damit geht für uns auch eine Neubewertung beim Thema
Sozialversicherungsbeiträge einher. Das Handwerk lebt von seinen
Mitarbeitern und ihrem Know-how. Zwölf Prozent aller Erwerbstätigen und
28 Prozent aller Auszubildenden in Deutschland sind im Handwerk tätig.
Als beschäftigungsintensive Branche bekommen wir den Druck bei den
Sozialabgaben besonders zu spüren. Hier müssen wir überlegen, wie wir
diese sozialen Kosten zukünftig gerecht verteilen wollen. Spürbare
Entlastung wünschen wir uns auch bei unserem Leib- und Magen-Thema
Bildung. Unsere Meister*innen engagieren sich jedes Jahr, um ihr Wissen
an rund 369.000 Lehrlinge weiterzugeben und damit die Fachkräfte von
morgen auszubilden. Allerdings verabschieden sich immer mehr
Kleinstbetriebe aus dieser Aufgabe, weil sie es sich nicht mehr leisten
können. Wir sind jedoch auf gute Fachkräfte angewiesen. Deshalb ist
unser Ansatz, akademische und berufliche Ausbildung als gleichwertig
anzusehen und zu fördern. Student*innen können sich bis zum Alter von 25
in der Familie kostenfrei mitversichern. Das möchten wir auch für
unsere Auszubildenden. Und es wäre ein schöner Beitrag zur Wertschätzung
des beruflichen Ausbildungswegs, der immer noch ein Schattendasein
führt. Wir brauchen den Meister genauso wie den Master.
Und
nicht zuletzt müssen wir bei den tiefgreifenden Transformationsprozessen
auch die mitnehmen, die sich mit Veränderung schwertun. Bei den
Menschen in den Kohle-Regionen etwa sehe ich viel Unsicherheit. Das
müssen wir ernst nehmen. Veränderung schafft nicht nur Halt, wie es im
Grundsatzprogramm heißt, Veränderung braucht auch Halt. Das gilt
insbesondere für die Übergangszeit, in der wir uns befinden. Diesen Halt
sollten wir gemeinsam schaffen.
Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH)
Mohrenstraße 20/21, 10117 Berlin
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